Wie KI gegen Corona helfen soll
Seit dem 16. März 2020 steht das öffentliche Leben in Deutschland still. Schulen sind geschlossen, ganze Fabriken haben vorübergehend den Betrieb eingestellt und über 700 000 Unternehmen haben in Deutschland Kurzarbeit angemeldet. Der Grund dafür ist die Coronaviruserkrankung Covid-19. Diese wurde von der Weltgesundheitsorganisation WHO als weltweite Pandemie eingestuft. Allein in Deutschland gibt es, laut WHO, Stand heute, über 143 000 bestätigte Fälle, andere Länder wie die USA, Italien und Spanien trifft es noch härter. Nun wird auf Hochtouren gearbeitet, um den Virus einzudämmen und zu bekämpfen. Doch welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz dabei? Dieser Frage soll dieser Blogbeitrag auf die Spur gehen.
Blick in die Zukunft – kann eine KI Pandemien vorhersagen?
Mit Blick auf Corona, lässt sich diese Frage mit Ja beantworten. Bereits am 31.12.2019, als 9 Tage, bevor die WHO zum ersten Mal vor einem grippeähnlichen Erreger in China warnte, sagte die Künstliche Intelligenz des kanadischen Start-up BlueDot einen Virus-Ausbruch in Wuhan voraus. Wie geht das? Der Algorithmus durchforstet rund um die Uhr tausende verschiedene Quellen wie Nachrichtenseiten, Behördeninformationen sowie Flugbewegungen, aber auch Blogs und Foren und sucht nach auffälligen Entwicklungen. Die Ergebnisse werden dann von Epidemiologen überprüft und bewertet. So warnte das kanadische Start-up als erstes vor dem Ausbruch der Krankheit.
Gleichzeitig konnte BlueDot auch korrekt vorhersagen, dass weitere Fälle in Tokio, Seoul und Bangkok auftreten würden. Für die Zukunft können solche Vorhersagen, die von KI getroffen werden, genutzt werden, um schneller auf neue Ausbrüche von Krankheiten reagieren zu können und entsprechende Maßnahmen einzuleiten, sodass die nächste Viruserkrankung gar nicht zur Pandemie werden kann.
Dr. KI? – Schnellere Befunde durch KI
Doch nicht nur in der Voraussage der Viruserkrankung kann KI helfen. Auch in der Diagnose der Krankheit lässt sich durch den Einsatz von Deep Learning mittels KI sehr viel Zeit sparen. Im Klinikum Neukölln in Berlin wird beispielsweise von vielen Patienten eine Computertomografie durchgeführt, deren Ergebnis nicht wie bei einem Test-Abstrich erst 24 oder gar 48 Stunden später vorliegt, sondern sofort. Anhand der CT-Ergebnisse kann die Diagnose schnell gestellt und der Schweregrad besser beurteilt werden. So können die Isolierung und die Behandlung der Patienten schneller starten.
Allerdings benötigt es zur Analyse der CT-Bilder hier noch einen Arzt. Doch diese Art von Tests könnte auch durch eine KI unterstützt und noch schneller und fehlerfreier ausgewertet werden. Einige Krankenhäuser in China, Mexiko und Thailand setzen bereits auf ein KI-gestütztes Screening. Dabei werden Die CT-Bilder in Sekundenschnelle mit tausenden Lungen-CT-Bildern von anderen Patienten verglichen und analysiert. Das Ergebnis ist vom Arzt dann im Webportal abrufbar. Er überprüft dieses kurz und stellt dann die abschließende Diagnose. Die Bilder stammen dabei unter anderem von bereits positiv getesteten Patienten und gesunden Patienten bzw. Patienten mit anderen Erkrankungen. Der Algorithmus wird mit jedem Bild besser, denn je mehr Vergleichsbilder er bekommt, desto besser erkennt er, was eine infizierte Lunge ausmacht. Sogar bestimmte Details, die möglicherweise selbst den erfahrenen Ärzten entgehen, werden mit aufgenommen. Schon jetzt dauert es im Schnitt wohl nur 20 Sekunden, um zu sagen, ob es sich um Covid-19 oder eine Lungenentzündung durch einen grippalen Infekt handelt. Das Prinzip ist nicht neu und wurde in der Vergangenheit schon erfolgreich für die Erkennung von Brustkrebs und Hautkrebs eingesetzt.
Ein ähnliches Prinzip verfolgen Wissenschaftler aus Tunesien, die mit Hilfe der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH und dem KI-Programm Watson von IBM eine KI zur Erkennung von Corona auf Röntgenaufnahmen entwickelt haben. Diese hat jetzt schon eine Trefferquote von über 90% und kann aus der ganzen Welt genutzt werden.
Die Methoden bedeuten vor allem Zeitersparnis, die dazu führt, dass Patienten schneller und besser behandelt werden können. Einen Arzt gänzlich ersetzen können und sollen sie nicht – diesem wird lediglich ein wesentlich effizienteres Arbeiten ermöglicht. So hat eine behandelnde Ärztin z. B. mehr Zeit, sich um schwere Fälle zu kümmern. Es fehlen noch abschließende Studien, wie z. B. klinikübergreifende Analysesysteme in ihrer Genauigkeit abschneiden.
Effizientere Forschung durch KI
Aber nicht nur in der Diagnostik, sondern auch in der Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten setzen die Wissenschaftler auf Künstliche Intelligenz.
So untersucht beispielsweise das Unternehmen DeepMind im Moment mittels Deep Learning die Proteinstrukturen des Coronavirus. Diese Strukturen sind bei der Entwicklung eines Impfstoffes und der Suche nach Medikamenten essentiell, da die Antikörper des Impfstoffes exakt auf die Proteine des Virus wirken müssen, um diesen zu neutralisieren. Die Untersuchung der Strukturen ist ein langer Prozess, der jetzt durch algorithmische Berechnungen beschleunigt wird.
Auch das britische Start-up BenevolentAI hat sich dieser Aufgabe verschrieben und untersucht bereits existierende Medikamente (z. B. gegen HIV) auf ihre chemische Struktur. So finden sie heraus, ob diese gegebenenfalls auch gegen das neue Coronavirus helfen könnten. Die Ergebnisse müssen dann aber noch durch klinische Tests bestätigt werden. Trotzdem spart diese Art der Analyse viel Zeit, was gerade bei einer weltweiten Pandemie der entscheidende Faktor ist. In China konnten ein Wissenschaftler-Team über dieses Verfahren in kurzer Zeit aus 8500 antiviralen Medikamenten und 160 Millionen Molekülverbindungen fünf Medikamente für einen klinischen Test finden. Diese Leistung wäre ohne KI nicht denkbar gewesen.
Doch diese Berechnungen benötigen hohe Rechnerkapazitäten, weshalb unter anderem die zwei Supercomputer Summit und Sierra momentan zur Berechnungen in der Coronaforschung eingesetzt werden. Zusammen erreichen sie eine schier ungreifbare Zahl von 325 Billiarden Rechenoperationen pro Sekunde.
Folding@home
Das wohl größte Projekt – gemessen an der Rechnerleistung – auf dem Gebiet der Corona-Forschung ist aber das sogenannte Folding@home Projekt der Stanford University. Auch hier sollen die Proteine des Coronavirus untersucht werden, genauer gesagt die Dynamiken und Entfaltungen der Proteine. Das Projekt setzt dabei auf die Mithilfe vieler, d. h. jeder kann weltweit die Rechenleistung seines Computers zur Verfügung stellen.
Das Projekt selbst besteht schon seit dem Jahr 2000 und wurde bereits zur Erforschung von Krebs und Alzheimer eingesetzt. Global bekannt wurde es aber erst, als sie Mitte März um Unterstützung gegen Corona gebeten hatten. Weltweit stellten über 400.000 Freiwillige ihre Rechnerkapazitäten zur Verfügung. Darunter viele Gamer, die leistungsstarke Computer besitzen und ihre Rechnerleistungen spenden. Zusammen kamen so über das Netzwerk eine Trillion Rechenoperationen pro Sekunde, was 60 Prozent der Rechenleistung aller 500 Supercomputer der Welt bedeutet. Durch die solidarische Hilfe vieler können Forscher so Schlüsselkomponenten des Virus untersuchen. Der Ansturm war kurzzeitig so hoch, dass die Forscher mit der Verteilung von „Rechenaufgaben“ gar nicht mehr hinterher kamen.
Weiterhin kann man Kapazitäten bereitstellen, alle Informationen dazu finden Sie hier. Auch wir von Compaile Solutions prüfen gerade, wie viele Kapazitäten wir zur Verfügung stellen können. Jede „Spende“ hilft den Forschern, die Praxisversuche auf maximal wenige hundert, statt tausende Wirkstoffe einzuschränken und so eine schnellere Hilfe für Erkrankte zu bieten.
Fazit
Künstliche Intelligenz steht oft der Vorwurf gegenüber, dass ihr Einsatz Arbeitsplätze vernichtet. Doch momentan zeigt sich erneut, dass sie nicht nur Aufgaben löst, die ohne sie noch nicht gelöst werden konnten, sondern damit auch neue Arbeitsplätze schafft und sogar Leben retten kann. Gerade sucht die EU nach KI-Start-ups und will deren Lösungsansätze gegen Corona fördern. Gleichzeitig besteht aber auch weiterhin die Dringlichkeit, sich mit den Gesetzen zum Datenschutz auseinanderzusetzen und passende Regelungen zu treffen, die die persönlichen, sensiblen Daten des Einzelnen schützen.